Die Muldegeschichten erzählen von der bewegten Geschichte eines Flusses, aus der Sicht von neun Menschen, die an und mit dem Fluss leben oder lebten.
Die Erzählungen reichen dabei vom Mittelalter bis ins Hier und Jetzt. Sie werfen einen Blick auf einen Fluss, der zu DDR-Zeiten enormen Belastungen durch die chemische Industrie ausgesetzt war, welcher aber zugleich eine Naturkulisse bietet, die einen Naturfotografen ins Schwärmen bringt. Die Mulde brachte Zerstörung und sie bietet zugleich ein Zuhause. Die Mulde hat viele Gesichter. Von einigen erzählen die Muldegeschichten. Nachfolgend finden Sie die Playlist aller neun Interviews.
Mit der Realisierung dieses Videoprojektes möchte sich der WWF Deutschland bei den Menschen der Region bedanken, die, mal kritisch mal konstruktiv, das Projekt begleitet haben und möchte jene, die sich bislang nicht mit der Mulde beschäftigt haben, einladen dieses Naturjuwel aus der Sicht ihrer Anrainer kennenzulernen.
Gemeinsamt mit flow : europe e.V. und der Stiftung Living Rivers wurde am 30.09.2021 das Flussfilmfest in Leipzig veranstaltet. Im Rahmen des im UT Connewitz in Leipzig veranstalteten Abend wurde Über das Projekte Wilde Mulde in den Abend eingeführt und der für das Fernsehen produzierte Beitrag zur Wilden Mulde als Opener gezeigt. Es folgten fünf weitere Kurzfilme und ein Langfilm über das größte Staudammabrissprojekt der Welt am Elwha River an der US-Westküste.
Zwischen den Filmblöcken gab es eine Diskussion zu Thema Bedeutung und Zustand der Flüsse. Für diese Podiumsdiskussion konnten interessante Persönlichkeiten gewonnen werden:
• Isa Winter-Brandt, Vizepräsidentin Freizeitsport des Deutschen Kanu Verbandes
• Theresa Schiller, WWF Deutschland, eingeladen aber als langjährige Kampagnenleiterin von „Blue Heart Of Europe“
• Mario Brauns, Helmholtz Zentrum für Umweltforschung als Vertreter des Projektes Wilde Mulde
• René Sievert, Vorsitzender des Nabu Leipzig und Kenner des Luppe-Projektes in Leipzig
Den Abend moderierte Michael Bender von der Grünen Liga jedoch in seiner Funktion als Flussfilmfestausrichter. Die Diskussion führte, angeregt über die Kurzfilme, über die Bedeutung der Flüsse für Menschen allgemein hin zu konkreten Fragestellungen bei Schutz und Verbesserung unserer Fluss-Auen-Komplexe.
Kiesbänke, sich verlagernde Ufer, Flussholz und Seitenarme – all das macht einen Wildfluss aus. Die Untere Mulde besitzt in vielen Abschnitten diese Eigenschaften. Dieser Naturschatz wurde mit dem im Dezember 2015 begonnenen Verbundforschungsprojekt „Wilde Mulde“ stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Zudem wurden vier ausgewählte Abschnitte, denen es an Naturnähe fehlt, durch Naturschutzmaßnahmen revitalisiert. Umfängliche Forschungsarbeiten begleiteten das Projekt von Anfang an.
Am 31. März 2021 endete die Arbeit des Projektverbundes bestehend aus dem WWF Deutschland als Verantwortlichen für die Umsetzung und den fünf Forschungsinstituten unter Federführung des Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Passend dazu ist die Videodokumentation veröffentlicht worden. In kurzweiligen 45 Minuten nehmen wir Sie mit in eine Welt des Naturschutzes und der Wissenschaft an der Unteren Mulde. Der WWF wird das Projekt bis 30.11.2021 weiterbearbeiten und noch eine Auwaldaufforstung, einen Planungsworkshop für weitere Naturschutzmaßnahmen und verschiedene Informationsveranstaltungen durchführen.
Im Rahmen der Abschlusstagung des Forschungsverbundes wurde das Projekt aus Sicht der Forschung reflektiert.
Forschung, Projekte und Strategien für intakte Flusslandschaften
Dr. Thomas Ehlert, Bundesamt für Naturschutz
Umsetzung der Revitalisierungsmaßnahmen und Einführung in die Arbeiten des Forschungsverbundes
Heiko Schrenner, WWF Deutschland & Dr. Christiane Schulz-Zunkel et al., Helmholtz Zentrum für Umweltforschung - UFZ, Department Naturschutzforschung
Hydromorphologische Veränderungen durch die Revitalisierungsmaßnahmen
Dr.-Ing. Katinka Koll et al., Technische Universität Carolo Wilhelmina zu Braunschweig, Leichtweiß-Institut für Wasserbau
Zurück zur Natur: Auswirkungen des Rückbaus einer Steinschüttung auf Biodiversität und Ökosystemfunktion
Dr. Mario Brauns et al., Helmholtz Zentrum für Umweltforschung - UFZ, Department Fließgewässerökologie
Großes Flussholz in der Renaturierung: Auswirkungen auf Biodiversität und Ökosystemfunktion
Christine Anlanger et al., Helmholtz Zentrum für Umweltforschung - UFZ, Department Fließgewässerökologie
Flussholz und die Menschen: Akzeptanz und Wahrnehmung
Cedric Gapinski et al., Leibniz Universität Hannover, Institut für Umweltplanung
Die Rolle von Eigendynamik und Feststoffhaushalt für die Umsetzung der EU-WRRL
Karl-Heinz Jährling, Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt LHW
Einfluss der Auenvegetation auf die Sedimentretention
Lena Kretz et al., Universität Leipzig, AG Spezielle Botanik und Funktionelle Biodiversität
Biologisch-terrestrische Veränderungen durch die Revitalisierungsmaßnahmen
Prof. Dr. Frank Dziock et al., Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, Fakultät Landbau/Umwelt/Chemie
Mehrere Ökosystemfunktionen gemeinsam betrachtet: Multifunktionalität in der Aue
Dr. Carolin Seele-Dilbat et al., Universität Leipzig, AG Spezielle Botanik und Funktionelle Biodiversität
Anwendung des Ökosystemleistungskonzepts an der Unteren Mulde
Cedric Gapinski et al., Leibniz Universität Hannover, Institut für Umweltplanung
Auf dieser Seite haben wir Ihnen ergänzend zur Veranstaltung die Kurzvideos, die aus der filmischen Dokumentation unseres Projekts entstanden sind, zusammengestellt.
Wegen Corona muss das Fluss Film Fest verschoben werden. Sobald wir wieder planen können, geben wir hier einen neuen Termin bekannt.
Das Wilde Mulde Projektteam plant die Veröffentlichung der Projektergebnisse in einem Sonderband der Zeitschrift International Review of Hydrobiology
Submission Deadline: 15 November 2020
Handling Editors: Christiane Schulz-Zunkel, Elisabeth Bondar-Kunze, Carolin Seele-Dilbat, Mathias Scholz & Frank Dziock
Dynamic processes of river-floodplain ecosystems are increasingly restored to revitalise riverine landscapes. All over the world, various hydro-morphological restoration measures have been carried out over the last decades in rivers and floodplains, including the installation of large wood, bank restoration, and the reconnection of back waters. These measures were also successfully implemented along the Lower Mulde, a main tributary of the Elbe, to reactivate dynamic morphological processes, improve river-floodplain interactions, as well as to promote river and floodplain biodiversity. Here, the implementation of restoration measures was coupled with continuous scientific monitoring of the effects on biodiversity and underlying processes such as hydrodynamics and sedimentation. To date, research linking the implementation of restoration measures with scientific monitoring is scarce.
This special issue of International Review of Hydrobiology aims at providing an overview of current interdisciplinary research assessing the outcomes of different restoration measures for riverine and floodplain biodiversity as well as ecosystem functions and services of the Lower Mulde and other riverine landscapes. Further, the special issue intends to deliver basic data on different scales as a reference for future and long-term ecological monitoring, take a holistic perspective by considering sociological aspects as well as multifunctionality in riverine landscapes, as well as provide recommendations for further restoration projects and their scientific evaluation in the light of implementing nature conservation and water management needs.
The editors invite contributions with a synthetic view on how restoration measures can improve biodiversity and ecosystem functioning and how observed improvements affect multifunctionality in riverine landscapes as well as studies highlighting specific hydro-morphological restoration measures and stakeholder involvement. We invite contributions on both catchment scale and the scale of single river stretches or floodplains.
Submit now:
https://mc.manuscriptcentral.com/hydrobiology
Learn More: https://onlinelibrary.wiley.com/journal/15222632; https://onlinelibrary.wiley.com/page/journal/15222632/homepage/call-for-papers
Author Guidelines: https://onlinelibrary.wiley.com/page/journal/15222632/homepage/forauthors.html
Im bisherigen Projektzeitraum konnten bereits hydromorphologisch wirksame Revitalisierungsmaßnahmen im Fluss-Auenkontext erfolgreich umgesetzt werden. Die Wirkungen der Maßnahmen wurden fachdisziplinübergreifend vom Forschungsverbund untersucht, um einen Gesamtblick auf das Ökosystem Flusslandschaften und seine Funktionsfähigkeit zu ermöglichen.
Schon seit mehreren Generationen sind fast alle größeren Flüsse in Deutschland massiv verändert. Dazu gehören Laufverkürzungen, die Befestigung von Ufern, die Lenkung der Strömung durch Buhnen sowie Eingriffe in den Wasserhaushalt durch Stauanlagen. Auch die Beräumung von Totholz im Rahmen der Unterhaltung veränderte die Charakteristik der Flüsse stark. Dabei sind es gerade die an den Wechsel von Überflutung und Niedrigwasser gebundenen vitalen Fluss-Auen-Ökosysteme, die eine Vielzahl verschiedenster Lebensräume bereitstellen und von hoch spezialisierten Tier- und Pflanzenarten genutzt werden. Sie sind Hotspots der biologischen Vielfalt. Zudem stellen sie einzigartige und für eine intakte Umwelt wichtige Ökosystemfunktionen bereit.
Derzeit weisen weniger als 10 % der Fluss-Auen-Ökosysteme in Deutschland die dafür erforderliche ökologische Funktionsfähigkeit auf. Somit besteht ein enormes Potenzial, die biologische Vielfalt in Deutschland durch Revitalisierungsmaßnahmen in Gewässerlandschaften zu erhöhen um die Bereitstellung von Ökosystemfunktionen wie z.B. die Arten- und Lebensraumvielfalt oder die Reinigungsleistung zu verbessern.
Mit dem Verbundforschungsprojekt ‚Wilde Mulde‘ wurden an der Unteren Mulde in Mitteldeutschland konkrete hydromorphologische Maßnahmen umgesetzt und deren Wirksamkeit auf die Bereitstellung von (ausgewählten) Ökosystemfunktionen untersucht.
Das Projekt hat den Anspruch eine fachübergreifende Synthese zu ermöglichen und die Wirksamkeit von Revitalisierungsmaßnahmen zu visualisieren. Dies stellt grundsätzlich eine enorme Herausforderung für einen Forschungsverbund dar, der das Projekt ‚Wilde Mulde‘ mit der Entwicklung eines ‚Hydrologischen Distanz-Parameters‘ gerecht werden konnte. So ist die ‚Hydrologische Distanz‘ ein Indikator für die Fluss-Auen-Vernetzung, der einen wesentlichen Erklärungsanteil für das Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten oder auch dem Sedimentrückhalt in den untersuchten Auen und Gleithangbereichen der Unteren Mulde hat.
Darüber hinaus zeigen sich erste morphologische Wirkungen der Maßnahmen, z.B. in der Entstehung einer Auflandung im Fluss im Bereich der Maßnahme ‚Wiederherstellung eines Naturufers‘. Diese wurde durch vergleichende Messungen der Sohltopographie erfasst. Dies gibt positive Signale, dass der fortschreitenden Flussbetterosion durch naturnahe Ufer entgegengewirkt werden kann und ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass vom Steilufer abbrechendes Material entlang des Prallhangs wieder abgelagert wird. Weiterhin hat sich am eingebauten Flussholz eine neue Kiesbank soweit etabliert, dass sich hier bereits annuelle Pioniervegetation ansiedeln konnte und Lebensräume für den Flussregenpfeifer als Brutvogel geschaffen werden konnten.
Diese ersten Ergebnisse zeigen, dass beeinträchtigte Fluss-Auen-Ökosysteme durch hydro-morphologische Revitalisierungsmaßnahmen erfolgreich zu naturnäheren Zuständen zurückfinden können und dadurch dem Fortschreiten des Biodiversitätsverlustes etwas entgegengesetzt werden kann.
Am Dienstag den 03. März, 18.00 Uhr wird Claudia Sprößig von der HTW Dresden den Zuhörern die typischen Laufkäfer und Libellen der Flussufer und Kiesbänke der Unteren Mulde vorstellen. Im Rahmen der AG Säugetiere wird sie im Anbau des Naturkundemuseums ihre Forschungsergebnisse aus dem Projekt Wilde Mulde präsentieren und auf die Bedeutung einer natürlichen Flussdynamik eingehen.
Die Befestigung von Flussufern verhindert deren natürliche Verlagerungen. Diese sind jedoch wichtig für die Entstehung typischer Lebensräume und damit die Ansiedelung speziell angepasster Arten. Die HTW Dresden untersucht im Projekt „Wilde Mulde“ wie sich die Wiederherstellung eines Naturufers bei Sollnitz auf die Besiedelung des Ufers mit Laufkäfern und Libellen auswirkt. Die Kieswüste ist lebendiger als sie auf den ersten Blick scheint.
Am Dienstag den 04. Februar, 18.00 Uhr wird Dr.-Ing. Katinka Koll von der TU Braunschweig die Zuhörer auf einen Besuch an den Grund der Mulde mitnehmen. Im Anbau des Naturkundemuseums Dessau wird sie ihre Forschungsergebnisse aus dem Projekt Wilde Mulde präsentieren und auf die Bedeutung strukturreicher Flüsse eingehen.
„Kanalartig ausgebaute Flüsse, wie wir sie heute oft vorfinden, sind die reinste Autobahn, dort finden nur wenige Lebewesen eine Nische zum Überleben.“ so Koll. Umso mehr interessierte sich die Forscherin für die durch den WWF in die Mulde eingebrachten Bäume. Wie haben sich die Lebensbedingungen am Flussgrund durch die geänderten Strömungsverhältnisse und den neu geschaffenen Tief- und Flachwasserzonen verändert? Und so wird sie auch erläutern, was der Eisvogel mit dem Muldekies zu tun hat.
Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der AG Säugetiere des Naturkundemuseums Dessau statt.
Umgestürzte und freigespülte Bäume und große abgebrochene Äste sind wichtige natürliche Komponenten unserer Flüsse. Sie gestalten das Flussbett und die Ufer und stabilisieren die Flusssohle. Zudem bieten sie Kleinstlebewesen und Fischen Lebensraum. Sie sind wesentliche Strukturelemente die zur Erreichung des guten ökologischen Zustands der Gewässer notwendig sind.
Im Gegensatz dazu fokussiert die Gewässerbewirtschaftung in der Regel immer noch auf die Entnahme von Gehölzen aller Art. Es wird als Risiko für Hochwasserschutzanlagen und auch Verklausungen betrachtet. Häufig wurde und wird darüber hinaus präventiver Rückschnitt von Ufergehölzen bis hin zu Uferbefestigung zur Reduzierung des Gehölzeintrags angewendet.
Mit dem Fachkolloquium „Flussholz“ am 13.-14.11.2019 in Dessau, sollte dieses Spannungsfeld näher beleuchtet und ein Austausch zwischen Akteuren in Forschung und Praxis angeregt werden.
Christine Anlanger, Sandra Hille, Katinka Koll, Manuela König, Ingo Schnauder, Claudia Tavares, Markus Weitere und Mario Brauns
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH, Technische Universität Braunschweig, Technische Universität Wien
s an seine Aue. Flussholz schafft zusätzliche Habitate was sich wiederum positiv auf die biologische Vielfalt auswirken kann. Die Bedeckung mit großem Flussholz nimmt im Längsverlauf des Flusses ab, während die mittlere Größe von Flussholz zunimmt. Zudem wird der Flussholzanteil auch direkt proportional vom Windungsgrad des Flusses beeinflusst. In kiesgeprägten Tieflandflüssen, wie der unteren Mulde, wird für den guten ökologischen Zustand ein Flächenanteil von Flussholz im Gewässer von 2 bis 5 % ausgewiesen. Dies wird in den meisten Flüssen jedoch nicht erreicht und ist eine der Ursachen für das Verfehlen des guten hydromorphologischen Zustands. Ursachen sind im fehlenden Eintrag von Flussholz sowie in Flussbegradigungen und dem massive Verlust an Auenwald und naturnahen Ufern zu suchen. Christine Anlanger stellte neben dem heutigen Stand der Forschung auch erste Ergebnisse zu den, von ihr und Kollegen untersuchten, ökologischen Auswirkungen von Flussholz, das im Rahmen des Renaturierungsprojekts Wilde Mulde eingebracht wurde. Durch das Einbringen von Flussholz erhöhte sich die topographische und hydraulische Diversität, was sich in einer erhöhten Fischabundanz und Aufenthaltsdauer von Jungfischen widerspiegelte. Dagegen konnte ein Jahr nach Einbringung des Flussholzes noch keine Erhöhung der Diversität des Makrozoobenthos festgestellt werden. Jedoch bot die Borke des Flussholzes zusätzliches Habitat und wurde von einer spezifischen Artengemeinschaft besiedelt. Ferner konnte gezeigt werden, dass das Substrat Borke einen deutlichen höheren Stoffumsatz bewirkt als die Substrate der Flusssohle am Gewässergrund. Es ist daher zu vermuten, dass unter der Voraussetzung entsprechenden flächigen Anteils von Flussholz mit intakter Borke die Funktionsfähigkeit des Flusses wesentlich erhöht werden kann. Zukünftige Untersuchungen sollen klären, wie sich ein zunehmender Anteil von Flussholz auf die Diversität und Funktionalität auswirkt und ab welchem Anteil beide Zielgrößeneine Sättigung erreichen.
Dr.-Ing. Michael Seidel, Hochschule Magdeburg Stendal
Der Holzhaushalt ist neben dem Wasser- und Sedimenthaushalt eine zentrale Säule für die biologische Funktionsfähigkeit eines Flussökosystems und fördert den Rückhalt von Nährstoffen und Sediment sowie die Anbindung des Flusse
Michael Seidel betont, dass gerade in kleineren Fließgewässern natürlicherweise viel Holz liegt, das wichtige Funktionen für die Prozesse in den Fließgewässern hat. Neben der Bedeutung für die Bildung von Lebensräumen wie Tief- und Flachstellen erwähnt er vor allem den Rückhalt von Sediment, Laub und Driftholz. Am Beispiel des Rückhalts von Driftholz erläutert er, wie insbesondere große, stabile Holzstrukturen die Anlagerung kleinerer Hölzer fördern, wodurch die besiedelbare Oberfläche für Mikroorganismen und Kleinlebewesen, und damit auch der zur Verfügung stehende Lebensraum steigt. Das angelagerte Holz wird aber nicht dauerhaft zurückgehalten und löst sich zum Großteil wieder bei Hochwasser und wird verlagert. Für den Erhalt komplexer und natürlicher Holzstrukturen ist daher ein natürlicher Holzeintrag aus oberhalb liegenden Gewässerstrecken wichtig.
Stabile Holzstrukturen können bei Renaturierungsmaßnahmen eingebaut werden, spiegeln dabei aber nicht die Vielfalt natürlich entstandener Holzstrukturen und deren Ausprägung unterschiedlicher Lebensräume wider. Herr Seidel hat dabei sechs Grundtypen und bis zu 130 Varianten natürlicher Holzstrukturen unterschieden.“
Uwe Koenzen, Planungsbüro Koenzen
Zunächst analysiert Uwe Koenzen in seinem Vortrag verschiedene Gewässertypen und stellt fest, dass es auch natürliche Flussholz-freie Gewässer gibt. Prägende Faktoren sind das Totholz-Dargebot in Quantität (punktuelle bis flächenhafte Wald-/Gehölzbestände) und Qualität (Alter der Gehölze) sowie die typspezifische laterale Dynamik, hochvariabel und Ereignis getrieben. In kleineren Gewässern spielt zudem der biogene Holzeintrag (Biber) eine wesentliche Rolle. Flussholzvorkommen im Referenzzustand sind je nach Fließgewässertyp in der Größenordnung von 5-25 % anzusetzen, in Abhängigkeit der Gewässergröße und den Gewässertyps. Für den guten Zustand sind Werte von 1-2 % bei den Strömen, 5 % bei Flüssen und 10 % bei kleinen Mittelgebirgsbächen anzustreben. Im Ist-Zustand deutscher Gewässer weisen mehr als 90 % gar kein (großes) Flussholz auf und 5 % weniger als 2 – 5 %. Der Anteil in der Sohle ist geringfügig besser. Insgesamt ist das Aufkommen nur punktuell zu finden und hinsichtlich Quantität nur als „homöopathisch“ zu bezeichnen. Die Berücksichtigung von qualitativ und quantitativ relevanten Totholzquellen in der Planung liefert gute Ergebnisse.
Timo Krohn, Bayrisches Landesamt für Umwelt
Timo Krohn erläuterte die Situation zum Umgang mit Totholz an bayerischen Fließgewässern. Fast 1000 strukturverbessernde Maßnahmen wurden in Bayern überwiegend mit Holz umgesetzt. Zusätzlich bringt mittlerweile auch der Biber Holz in nennenswertem Umfang in das Gewässer ein. Die deutliche Zunahme des Fischbestandes durch Holzeinbau konnte durch das Monitoring einzelner Projekte wie z.B. „Wertach Vital“ nachgewiesen werden. Es wurden aber auch die Risiken durch Flussholz hinsichtlich Verklausung und Abflussbehinderung bei Hochwasser thematisiert. Der Einbau von Flussholz in der Gewässerunterhaltung ist rechtlich legitimiert und in der Planung selten detailliert dargestellt, weshalb Einbau von Totholz in das Gewässer ein hohes Maß an praktischer Erfahrung erfordert. Die Modellierung von eingebrachtem Totholz ist wegen des Detailierungsgrades der Modelle und der unterschiedlichen Ausprägung der eingebrachten Gehölze nur überschlägig möglich.
Dr. Jürgen Eberstaller, TB Eberstaller GmbH & Dr. Roland Schmalfuß, VERBUND Hydro Power GmbH
Herr Eberstaller berichtet von über 25 Jahren Erfahrung mit Totholzeinbau in Österreich, angefangen mit kleinen Einzelstrukturen hin zu Maßnahmen mit großem Totholz und Raubäumen über kilometerlange Flussabschnitte. Die Ergebnisse des umfangreichen fischökologischen Monitorings zeigen durchgängig positive Wirkung, vor allem in Bezug auf die Fischdichte bzw. Abundanz, ein besonders typisches Ergebnis für dynamische kiesführende Fließgewässer. In den anschließenden Ausführungen von Roland Schmalfuß wurden die Erfahrungen aus größeren Projekten wiedergegeben. So wurden im Life+ Traisen Projekt mehr als 160 Flussholzeinbauten auf einer knapp zehn Kilometer langen Strecke umgesetzt. Es wurde aber auch auf Gefährdungen durch Flussholz eingegangen. Abschließend wurden von den Erfahrungen zur Planung und baulichen Umsetzung solcher Maßnahmen berichtet. Die Größe von Totholzstrukturen ist wichtig für Strukturbildung und Unterstand. Totholz sollte möglichst haltbares Holz und möglichst großes „Struktur-Volumen“ bieten. Alle Arten der Befestigung von Raubäumen mit Pylonen sollten während des Baus gut beaufsichtigt und dokumentiert werden.
Dr. Hannes Schimmer, Bezirksregierung Münster & Andreas Vollmer, Ingenieur Büro Vollmer, Geseke
Dr. Schimmer geht in seinem Vortrag zunächst auf die Bedeutung von Flussholz in Tieflandbächen ein, wo Holz oft das einzige Hartsubstrat darstellt, auf welches eine hohe Zahl an Tierarten angewiesen ist. Gerade die Dichte von Makrozoobenthos wird entscheidend verbessert. Anschließend wurde von den Erfahrungen des Einbaus von Flussholz in verschiedenen Varianten eingegangen. So wurde berichtet, dass Baumstubben in hohem Grad auch eigenständig lagestabil und Raubäume gezielt in Form von Buhnen verwendbar sind. Die Befestigung ist ein nicht zu unterschätzender Faktor beim Einbau. Es wird empfohlen auch ausschlagfähiges Material mit zu verwenden. Herr Vollmer berichtete von den langjährigen Erfahrungen mit dem Einbau von Raubäumen. Formen des Einbaus, Art der Befestigung bzw. Verankerung und auch konkrete Bemessungsansätze wurden vorgestellt. Er berichtete, dass der Raubaumeinbau auch als Element für die Freizeitnutzung an Gewässern (z.B. Kanuten) zusammen mit proaktiver Öffentlichkeitsarbeit erfolgreich eingesetzt werden kann.
Georg Rast, Heiko Schrenner, WWF Deutschland
Der Vortrag umreißt die Erfahrungen des WWF Deutschland (nicht unterhaltungspflichtiger Umweltverband) mit dem Einbau von großen Raubäumen in einem Flussabschnitt mit potenziell schadensträchtiger Verdriftung. Der natürliche Wasserkörper ist in diesem Abschnitt der unteren Mulde in einem unbefriedigenden ökologischen Zustand (Makrophyten/Phytobenthos), aber ohne Maßnahmenplanung im Bewirtschaftungsplan. Um diesen Rahmenbedingungen gerecht zu werden, wurden die Planungen, die als Unterhaltungsmaßnahme ausgeführt werden konnten, mit freiwilligem Scoping sowie einer detaillierter 2D-Berechnung der Wirkungen auf den Hochwasserabfluss und -wasserstände untersetzt. In der 2D-Berechnung konnte die Hochwasserneutralität der Raubäume nachgewiesen werden, da nur lokale Erhöhungen im Flussbett in Höhe ausbordender Abflüsse um HQ10 zu erwarten sind. Für die Lagestabilität der Raubäume war ferner ein statischer Nachweis zu erbringen unter der Annahme, dass umfangreiche Geschwemmselanlagerungen am Wurzelteller auftreten. In der Folge wurden die Raubäume jeweils mit sechs großen, über 3,5 Tonnen schweren vorgefertigten Betonquadern verankert. Zusätzlich wurde mit den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft S-A (gesetzlich unterhaltungspflichtig für Gewässer 1. Ordnung) eine gesonderte Vereinbarung zum Monitoring aufgestellt, der auch die Verantwortung für den Zeitraum nach Projektende regelt. Die hydro-morphologischen und ökologischen Wirkungen werden durch mehrere Forschungspartner detailliert untersucht. Es liegen noch keine abschließenden Ergebnisse vor, jedoch haben sich bereits durch einen kurzzeitigen bordvollen Abfluss morphologische Veränderungen eingestellt.
In Abstimmung mit den Flussanwohnern soll längerfristig ein Monitoring aller Totholzvorkommen im dem untersten Muldeflussabschnitt durchgeführt werden. Dabei soll auch erforscht werden, wie sich das Bewegungs- und Verdriftungsverhalten großer Raubäume in der Realität darstellt. Dazu ist ein Prototyp zur telemetrischen Erfassung hergestellt und erfolgreich getestet worden.
Dipl.-Biol. Martin Dittrich, Freistaat Thüringen, Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz
Martin Dittrich erläutert in welchem Rechtsrahmen sich Gewässerunterhaltung in Bezug auf Holzvorkommen bewegt. Er erklärt den § 39 Abs 1 und geht auf die Unterschiede zwischen Unterhaltung und Gewässerausbau ein.
Er führt zu § 39 Abs. 2 WHG aus, dass die Unterhaltung zwingend an den Bewirtschaftungszielen §§ 27 bis 31 WHG auszurichten ist und den Anforderungen des Maßnahmenprogramms zu entsprechen hat. Soweit die Unterhaltung betroffen ist, ist auch das Verschlechterungsverbot einzuhalten, wobei das Verbesserungsgebot nicht unterlaufen werden darf. Ferner dürfen Abschnittskonkret vorgegebene (Unterhaltungs-)Maßnahmen des Maßnahmenprogramms nicht ignoriert oder durch gegenläufige Unterhaltungsmaßnahmen konterkariert werden.
Bezüglich Gehölzpflanzungen am Ufer wird erläutert, dass das Anpflanzen und der Erhalt von Gehölzen grundsätzlich zum Kanon einer ordnungsgemäßen Gewässerunterhaltung gehören, daher ist auch eine Anordnung nach § 42 Abs. 1 WHG möglich. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Anpflanzen – im Rahmen einer ordnungsgemäßen Gewässerunterhaltung – aus Gründen der Ufersicherung oder aus „rein ökologischen“ Beweggründen erfolgt, ohne dass damit eine „Grünverrohrung“ einhergeht. Somit ist nach § 41 Abs. 1 Ziffer 3 das Anpflanzen zu dulden. Gleichzeitig sind die Folgen der Anpflanzung zu dulden (Bestand, Wachstum, Pflege, Laub, Beschattung etc.). Die Vorschriften des § 41 WHG bestimmen in zulässiger Weise Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
Das Freihalten der Ufer für den Abfluss kann (!) vor allem in Ortslagen geboten sein, da hier ein ordnungsgemäßer Abfluss vor allem als schadloser Abfluss zu verstehen ist. Nichtgewährleistung ist „Schlechterfüllung“ der Unterhaltung. In der freien Landschaft ist ein ordnungsgemäßer Abfluss anders zu verstehen. Hier gehört Bepflanzung zur ordnungsgemäßen Unterhaltung, die auch am Ufer keinen Schaden bedingen dürften, der einen Folgenbeseitigungsanspruch rechtfertigt! Denn dafür muss der Anlieger in seinem Grundeigentum schwer und unerträglich beeinträchtigt sein, so dass die Nutzung des Grundstücks schlechthin in Frage gestellt ist.
Betrachtet man Totholz in der Gewässerentwicklung ist entscheidend, ob Totholz durch aktives Handeln in ein Gewässer eingebracht wird oder passiv in ein Gewässer gelangt.
Ob dennoch in der freien Landschaft eine Entnahme von Totholz durch den Unterhaltungspflichtigen geboten ist, ist eine Frage des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts („schadensträchtige“ Verdriftung (Ortslagen/Durchlässe/Brückenbauwerke), Vernässung großer anliegender Flächen, wesentliche Erhöhung der Hochwassergefahr, Erosive Landverluste).
Bei einem natürlichen Gewässer in der freien Landschaft mit Bewirtschaftungsziel „Erreichen / Erhalt des guten ökologischen Zustands“ gilt die Regelvermutung: Es gibt keine Rechtspflicht zur Unterbindung eigendynamischer Prozesse (vgl. § 42 Abs. 1 Nr. 2 WHG).
„Stoppen Sie diesen Unsinn“
Thomas Steinberg, freier Journalist
Thomas Steinberg ist Journalist, Dessauer und Kenner der Mulde. In seinem Beitrag hat er die Entstehungsgeschichte des Projekts Wilde Mulde aus dieser Sicht reflektiert. Schwierigkeiten und Missverständnisse bei der Vermittlung von Begriffen (u.a. Wilde Mulde, Raubaum, Ufer entsteinen, Ökosystemleistungen) und der tatsächlichen Mitwirkungsmöglichkeit der Anwohner in den Planungs- und Genehmigungsverfahren wurden thematisiert. Die These, ob sich der real existierende Natur- und Umweltschutz von vielen Menschen so weit entfernt hat wie diese sich von der Natur, wurde beispielhaft an zwei Fragen „Wie verträgt sich die Anwendbarkeit kultureller Ökosystemleistungen, wenn die Bevölkerung („Anwohner und Touristen“, Stakeholder) nur sehr lokal einen Zugang zur Mulde hat?“ und „Würden die Dessauer die Ziele des Projekts besser verstehen, wenn sie die Mulde persönlich besser kennen würden?“ analysiert.Denn bei der Diskussion dieser Fragen bleibt zu beachten, dass die Dessauer inmitten einer weitläufigen Parklandschaft mit gezähmter Natur und wenig Zugang zu naturschutzfachlich wertvollen Flussabschnitten leben. Zudem hebt er hervor, dass der Zustand von Natur und Umwelt verbreitet als problematisch und katastrophal kommuniziert wird. Auch wenn diese Angaben berechtigt sind, kann dies zu Handlungsanreizen des Einzelnen beitragen? Hingegen gibt er die Empfehlung dem Menschen zugewandter aufzutreten, Erfolge herauszustellen, den Menschen zeigen, welche Wunder die Natur völlig zweckfrei bietet und was sie verlieren könnten. Umweltverbände wie auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten sich nicht zu schade sein, der Gesellschaft verständlich zu erklären, was sie warum tun und herausgefunden haben.
Nach 3 Jahren Projektlaufzeit konnten wir beim diesjährigen 4 Mulde-Fluss-Tag einen Großteil der umgesetzten Maßnahmen vorstellen.